Einleitung

Kennen Sie das südliche Waldviertel?

Als „Einheimischer" bestimmt. Dennoch werden diese Zeilen auch für Sie manch Neues und Interessantes bringen und Zusammenhänge zur Gegenwart aufzeigen.

Als Gast des Landes und Leser dieses Büchleins seien Sie umso herzlicher willkommen. Wir wollen Sie hineinführen in ein Land, das im Jahre 1977 noch nicht überschwemmt ist von Fremdenverkehr und Technik, aber auch noch nicht erlegen ist der Hast der Manager und all derer, die damit zu tun haben.

Für manche wird es eine Regenlektüre sein. Es liegt jedoch am Leser, ob es wirklich hinein führt in eine Vergangenheit besonderer Art und überleiten kann zu einer Gegenwart, die wir täglich erleben müssen.

Sollte der Leser nach der letzten Seite der Meinung sein, daß eigentlich alles schon dagewesen ist und die Geschichte sich meist immer wiederholt, so wäre der Zweck erfüllt.

Daß man aus Geschehenem lernen sollte, ist wieder eine Sache der „Regierenden", der „Steuerleute" und „Maßgeblichen", die soviel Einfluß haben, daß sie wirklich etwas „anders" machen könnten.

Wenn Sie als Leser dieses Land durch dieses Büchlein ein wenig mehr kennen lernen und die Lust verspüren, das südliche Waldviertel aufzusuchen, würden sich der Verfasser und die „Einheimischen" ganz besonders freuen.

Der Jugend sollte es eine Geschichte der Heimat erschließen, damit sie die Gegenwart besser verstehen lernt.

Prof. Franz Traunfellner führt uns mit seinem Wasserrad hinein in dieses Land. Es zeigt uns am Einband ein Stück dieses südlichen Waldviertels mit seinem Reichtum an Holz und den rauschenden Bächlein. Es ist ein Bild der Vergangenheit, der alten Zeit und Arbeit. Längst mußte dieses Wasserrad vergeblich warten auf die Wasserkraft, die es treiben soll, um so den Menschen helfen zu können. Diese Menschen stellten das Wasser ab, das Rad stand still, heute ist davon bei Laimbach nichts mehr zu sehen.

Die Zeit geht weiter, sie braucht diese einfache Art der Krafterzeugung nicht mehr. Oft kommen Urlauber und das Alte Suchende und fragen, wo man solch Wasserrad noch sehen könne. „Leider nirgends", ist dann die Antwort. Eine Antwort, die abrupt überleitet zur Gegenwart.

Dennoch hat es einen Sinn, die Vergangenheit zu schildern und mit dieser Gegenwart zu vergleichen.

Bevor Sie dieses Land betreten, überqueren die meisten die Donau.

Diese Donau wird doch soviel besungen, besucht und benützt. Sie vereint die 4 Viertel Niederösterreichs und trennt das Land zugleich.

1254 hat schon König Ottokar dafür gesorgt, daß Niederösterreich in diese 4 Viertel geteilt wird. Der Name Waldviertel entstand damals schon. 1530 hieß es in einem Gültbuch (Verwaltungsbuch) „Viertel ober dem Manhartsberg (V. o. M.B.)" und beim Volke (nach Gerichtsprotokollen) „Waldmarch".

Das Waldviertel ist ein Teil dieses Bundeslandes, der so ganz anders ist und so Randteil und Ergänzung zugleich wird.

Und dann ist da noch der untere Teil, oder wie es so (wärmer) heißt, das südliche Waldviertel. Gleich einem Stiefkind erlebte es manch andere Zeiten als seine Umgebung.

In Wien sprachen so manche erfahrene Beamte der Landesregierung von den „wilden Bergvölkern", die dort hausen. Wenn dem schon so ist, sind eben diese Menschen auch ein Produkt ihrer Umgebung. Und diese ist und war anders, als zum Beispiel der politische Bezirk Melk selbst, zu dem dieses südliche Waldviertel hauptsächlich gehört. 42 Prozent der Fläche des Bezirkes Melk sind nördlich der Donau und 29 Prozent der Bevölkerung leben dort.

Das war aber nicht immer so. Als die Bezirkshauptmannschaft Melk im Jahre 1899 geschaffen wurde und in ihr neues Gebäude einzog, wurde gleichzeitig die BH Pöggstall gegründet. Der damalige Bezirk Pöggstall umfaßte die Gerichtsbezirke Persenbeug und Ottenschlag, nebst Pöggstall selbst. Die Fläche war fast so groß wie der heutige politische Bezirk Melk und hatte 33.000 Einwohner. Von 1899 bis 1939 war der Markt Pöggstall, nach seiner großen historischen Vergangenheit, ein Zentrum dieses Raumes.

Die unterschiedliche Entwicklung der Teile nördlich und südlich der Donau begann schon in der Urgeschichte. Der „silva norica" (Nordwald) oder das schwarze Viertel gab dem Land diesen Namen vom großen Waldgebiet, das unsere Landschaft bis heute kennzeichnet. Vor 100 Jahren waren vom gesamten Waldviertel noch 'A Wald, heute ist es nur Vi. Und dieser Waldteil ist hauptsächlich der grüne Schmuck für das südliche Waldviertel. 50 °/o dieses Teiles sind heute noch Wald.

Die böhmisch mährische Masse bildet den Untergrund. Einst ein ansehnliches Gebirge, liegt heute der Rest als Hochfläche von Münichreith, St. Oswald, Dorfstetten und Nöchling, mit den Tälern der großen und kleinen Ysper, sowie dem Weitenbach mit seinem Hölltal und dem Heiligenbluterbach vor dem fröhlichen Wanderer. Die Urgesteinshärtlinge des Ostrongs, Weinsberges und Jauerlings überblicken stumm diese Landschaft. Der westliche Teil zeigt den grobkörnigen und bunten Pegmatit, der östliche Teil liefert den Gneis in Platten und Quadern mit verschiedenen Tönungen. Die Hausbauer wissen das Material gut zu schätzen. Drüber der Donau sieht es da ganz anders aus. Die Melker Sande, Donau und Erlauf liefern mit ihrem Schotter vorzügliches Baumaterial. Das südliche Waldviertel sieht solch Schotter und Sand erst, wenn das Fuhrwerksunternehmen diese abkippt. Die Bauabrechnung zeigt dann sehr deutlich, wie wertvoll und teurer das Baumaterial wurde.

Im Laufe der Zeit hat sich etliches geändert. Das pannonische Meer tat seinen Teil dazu. Die Meeresarme reichten damals bis ins Gebiet von Pöggstall und Laimbach. Man nimmt an, daß der Meeresspiegel bei 500 m Seehöhe von heute lag. Als dann das Meer wieder beliebte wegzuwandern, blieben die Täler des Weiten- und Ysperbaches zurück. Auswaschungen um das Annafeld bei Pöggstall, aber auch rundgeriebener Flußschotter am Annaberg geben dort einen stummen Zeugen dieser Zeit. Die Straßenmeisterei von Pöggstall kann sich heute noch für das gute Frostschutzmaterial bedanken, das sie bei Pisching fand.

Die Donau änderte auch einmal ihre Meinung und grub sich ein neues Durchbruchstal, unsere herrliche Wachau. Vorher floß sie von Pöchlam über Melk an St. Polten vorbei. Dabei tat sie den Geologen einen Streich und trennte in der Wachau den Urgesteinsberg des Dunkelsteinerwaldes vom übrigen Urgesteinsland.

So entstand das Land. Dann kam natürlich noch das Wetter. Die Waldviertler beschweren sich gar nicht über das derzeitige unberechenbare, meist nicht angenehme Wetter. Sie sind es gewöhnt. Das Sibirien Österreichs wird das Land genannt. Die Eiszeiten wüteten dort im Waldviertel ganz besonders arg. Südlich der Donau verspürte man nur den eiskalten Hauch. Der Klimaunterschied ist aber auch zu groß. 1902 stellt ein braver Schreiber fest, daß das südliche Waldviertel seinen Frühling erst 4 Wochen nach der Wachau hat. Und fährt man des öfteren von Melk über Weiten, Pöggstall nach Gutenbrunn, so kann man feststellen, daß die Vegetation im Frühjahr je Station um 14 Tage später zu erwachen beginnt. Die Hausfrauen können dies in ihrem „Gemüsegartl" jederzeit bestätigen. Die Weinlinger Bauern sprechen von der Landluft, dem kalten Ostwind im Winter und von Norden kommt der böhmische Wind mit Nebel und Kälte. Daß es dabei 9 Monate Winter und 3 Monate kalt ist, wirkt sich eben auch auf die Einwohner aus.

 

WALDVIERTLER LIED (VOLKSMUND)

Das Waldviertel is gwiß
grad net 's Paradies,
weils kalt is gar zviel
und da Wind treibt sei Gspiel.

Als Erdäpfelland a so is bekannt,
is a recht rauhe Gegend,
wos recht schneibt und fest regnt.

Und trotzdem is schön,
nur muaßt einigehn;
denn a so an schön Wald,
Freund, den findst net glei bald.

Und d' Leut ham a Gmüat,
wias selten wo blüat,
san brav, ehrli und fromm
und a sonst net so dumm.

Drum mei Paradies
dös Waldviertel is,
weil i d' Hoamat dort hab
und mein Vätern sei Grab.